Wollte man den Anwesenden Sand in die Augen streuen? Dokumente passen nicht zu Aussagen in der Informationsveranstaltung.
Architekt Kehrbaum hat geschickt und sehr oberflächlich die Grundlagen des Investorenwettbewerbs gestreift. Einen Bezug auf die Ergebnisse von ISEK hergestellt. Angeführt wurde auch das Handelsgutachten aus 2006, das 2013 überarbeitet wurde.
Man konnte den Eindruck gewinnen, die Aufstockung von 1.000 qm auf über 2.000 qm Handelsflächen für Bekleidung ist durch diese Grundlagen gedeckt.
Dem ist aber beileibe nicht so.
Daneben wurde die Situation so dargestellt, als wäre die aktuelle Planung durch die Regierung von Unterfranken bereits abgesegnet. Auch das ist nicht richtig. Zumal alle Stellungnahmen sich auf den im Herbst ausgelegten Bebauungsplan mit 1.000 qm Handelsflächen für Bekleidung beziehen. Alle Stellungnahmen zum Handelsbesatz sind also inzwischen gegenstandslos, da man ja inzwischen das doppelte plant.
Warum man den Bebauungsplan im Herbst 2018 so ausgelegt hat, erschließt sich mir bis heute nicht. Gab es damals keine Pläne, weitere Bekleidungsgeschäfte
anzusiedeln? Oder wollte man erst mal mit niedrigen Zahlen die Reaktionen testen, um dann möglicherweise unbemerkt aufzustocken?
Warum brauchen wir mehr Transparenz? Was kann Transparenz bewirken?
Im folgenden werde ich versuchen deutlich zu machen, dass uns am Dienstag Dinge erzählt wurden, die so nicht den Tatsachen entsprechen. Vorsichtig formuliert, viele Dinge wurden unvollständig oder verdreht dargestellt.
Ich hoffe, die Veröffentlichung dieser Informationen führt dazu, dass wir uns im weiteren Verlauf nicht erneut Behauptungen anhören müssen, die keine nachvollziehbare Grundlage haben.
Vielleicht ist noch nicht allen bewußt, dass Bürger Informationsrechte und damit Zugriff auf Unterlagen haben. Wenn man sich als Architekt oder Bürgermeister dann auf solche Unterlagen bezieht, sollte man etwas besser darauf achten, dass alles zusammenpasst.
Vielleicht ist auch unserem Landratsamt nicht bewußt, wie in einem solchen Umfeld von "Halbwahrheiten?" die Verweigerung von Informationen beim Bürger wirkt. Mißtrauen bekämpft man am besten mit Transparenz, nicht mit Informationsverweigerung.
Stellungnahmen des Landratsamtes und der Regierung von Unterfranken
Nachdem ich der Veranstaltung den Eindruck hatte, alles ist aus Sicht der Regierung von Unterfranken und unseres Landratsamtes wunderbar in Ordnung, befürchte ich, das ging vielen Besuchern so.
Deshalb veröffentliche ich hier die beiden Stellungnahmen. Damit kann sich jeder selbst ein Bild machen
Zur Erinnerung, jetzt sollen es über 2.000 qm werden! Insgesamt wurden über 30 Stellungnahmen eingeholt. Dann gab es einen Abstimmungstermin dazu am 19.12.2018 im Rathaus von Miltenberg.
Das Landratsamt verweigert mir einen Aktenvermerk zu diesem Termin. Das Geheimhaltungsinteresse wird in einer Abwägung als größer eingestuft, als das Informationsinteresse von mir bzw. der Allgemeinheit.
Das BayUIG bietet Behörden dieses Schlupfloch. Ob korrekt abgewägt wurde, müsste jetzt ein Gericht klären. Es bleibt aber die Frage: Was ist denn hier so brisant, dass man es unbedingt vor dem Bürger verheimlichen will?
Was steht in ISEK, im Handelsgutachten und in der Ausschreibung des Wettbewerbs?
ISEK Kurzfassung Seite 18: Entwicklung des Alten Bahngeländes (das Dokument können Sie hier aufrufen) :
- Etablierung neuer Nutzungen (v.a. gemischte Nutzungen, Sondergebiet Einzelhandel)
- Einrichtung einer Seniorenwohnanlage
- Verkehrliche Anbindung an Innenstadt für Fußgänger und Radfahrer
- Optionen:
-
- Ansiedlung eines Elektromarkts,
- Etablierung eines Hotels,
- Einrichtung eines Sportzentrums,
- Einrichtung neuer Parkplätze
Ich tue mir schwer, hier die Begründung für über 2.000 qm Fläche für Bekleidung und 1.200 qm Drogeriemarkt zu finden. Architekt, Bürgermeister und wohl auch der Stadtrat haben es geschafft.
Was sagt das Handelsgutachten aus 2006 mit Überarbeitung im Jahr 2013 zum Alten Bahnhofsgelände?
- Über alle Warengruppen hinweg weist das Mittelzentrum ein angemessenes Angebot auf
- zusammenhängende Einkaufslage mit Altstadt kann nicht geschaffen werden
- Empfehlungen zum Branchenprgramm für die Stadt Miltenberg, Entwicklungspotential vorhanden
-
- 1.200 qm Drogeriemarkt incl. 300 qm Spielwaren
- 800 qm Schuhe
- 800 qm Sport
- 1.000 qm Textil in der Innenstadt und am alten Bahnhof zusammen
Die Ansiedlung Schuhe und Drogerie kann ich hieraus noch ableiten. 1.000 qm Textil waren als Summe für die Entwicklung in der Innenstadt und am alten Bahnhof gemeinsam gedacht gewesen. Diese alleine am alten Bahnhof zu realisieren, ist schon mutig. Daraus dann aber über 2.000 qm zu machen, sprengt den Rahmen dieser Empfehlung.
Auch hier, Architekt und Bürgermeister zusammen mit dem Stadtrat finden, dieses Gutachten rechtfertigt die neue Planung. Ich kann das nicht nachvollziehen. Außerdem ist die Frage nach der Aktualität zu stellen, nachdem inzwischen bereits viele neue Flächen entstanden sind.
Was im Investorenwettbewerb exakt vorgegeben war, wurde bisher nicht offengelegt. Wäre aber sicher interessant.
Was schreibt der Handelsverband Bayern in seiner Stellungnahme?
Dieser bezieht sich auf ISEK und das Handelsgutachten aus 2006 mit Fortschreibung 2013:
"Vorgesehen waren für die Flächenbelegung somit in erster Linie nicht-innenstadtrelevante Angebote mit einem kleinen Anteil an zentrenrelevanten Randsortimenten, die zwar zu einem leistungsfähigen Warenprogramm gehören, aber – wie auch hier – in ihrer Größe beschränkt werden sollten.
Üblicherweise werden die Anteile solcher Randsortimente bei rund zehn Prozent der Gesamtverkaufsfläche festgesetzt, was das vorsichtige Vorgehen der GMA bei den innenstadtrelevanten Angeboten
nochmals verdeutlicht. Nach der heute noch gültigen Sortimentsliste gehören sämtliche Sparten des Sondergebietes zu den innenstadtrelevanten
Sortimenten."
Nebenbei sagt der Verband auch noch, dass Aussagen zu ISEK und zum Einzelhandelsgutachten in der Begründung zum Bebauungsplan mit 1.000 qm Textil nicht korrekt bzw. zu abgekürzt wiederegegeben
werden, ...
Nicht korrekt? Abgekürzt? Wie würde man das im normalen Sprachgebrauch formulieren? Warum hat unser Stadtrat diese Stellungnahme
eigentlich nie öffentlich diskutiert?
Zum Schluss noch eine Reaktion der IHK Aschaffenburg
"In unserer Stellungnahme vom Dezember haben wir als IHK nach reiflicher Überlegung "keine Bedenken und Anregungen" geäußert. Dabei sind wir allerdings davon ausgegangen, dass den Vorgaben aus dem Einzelhandelsgutachten von 2006 gefolgt wird: Wohnen, Hotel und Einzelhandel in der Größenordnung, die im Gutachten als verträglich angesehen wurde. Nach und nach wurden aber auch die Flächen für "sonstige Einzelhandelsbetriebe" überwiegend mit Textil-Einzelhandel beplant, so dass jetzt statt der geplanten 1.000 qm über 2.000 qm zur Debatte stehen.
Aus diesem Grund befinden wir uns zur Zeit in engem Kontakt mit Gewerbetreibenden, Handelsverband und weiteren Akteuren aus Miltenberg um hier nach anderen Lösungen zu suchen."
In Kürze: Was jetzt geplant wird, ist nicht durch das Handelsgutachten gedeckt, sondern widerspricht diesem sogar.
Was muss passieren?
Die Stadt Miltenberg sollte auf ihrer Internetseite alle Dokumente zum Projekt offenlegen.
- Ausschreibung zum Investorenwettbewerb
- Ergebnisse des Investorenwettbewerbs
- Vorlagen und Niederschriften aus dem Bauausschuss und dem Stadtrat zu jeder Sitzung, in der das Thema alter Bahnhof behandelt wurde
- Das Einzelhandelsgutachten aus dem Jahr 2006 und die Überarbeitung 2013
- Alle Bebauungspläne, beginnend vom aktuell gültigen über alle Entwürfe bis heute incl. der Auslegungen
- Alle Stellungnahmen aus der Anhörung von Behörden und Trägern öffentlicher Belange
- Alle Stellungnahmen zum ausgelegten Bebauungsplan die von ander Seite eingegangen sind
- Ergebnis / Protokoll des Abstimmungstermins vom 07.12.2018 im Rathaus
- Alle internen Dokumente zum Projekt, die darüberhinaus existieren.
Aus meiner Sicht kann nur über maximale Transparenz Vertrauen in die Planung der Stadt Miltenberg und den Investor entstehen.