Seltsames geschieht in Bürgstadt. Im letzten Jahr hat der Gemeinderat einen Bauantrag oder eine Bauvoranfrage abgelehnt. Anstelle des Waschparks wollte jemand eine Spielhalle errichten.
Nun gibt es einen neuen Plan. Der Gemeinderat Bürgstadt hat einen Bauantrag abgesegnet und Befreiungen vom Bebauungplan erteilt.
Aber wofür? Es kommt ein neues Non-Food Geschäft. Die genaue Nutzung ist nicht bekannt, erklärt Bürgermeister Thomas Grün seinen Räten.
Kann man das glauben?
- 2018 - Der Gemeinderat kennt die geplante Nutzung, gefällt ihm nicht - abgelehnt
- 2019 - Dem Gemeinderat wird eine Black-Box präsentiert, Inhalt unbekannt - genehmigt
Wieder was gelernt, je weniger man den Räten verrät, desto leichter bekommt man deren Zustimmung?
Könnte das eine Erklärung für die Zustände in Miltenberg sein? Was bekommen die Bürgstädter nun?
Ein Non-Food Geschäft? Wikipedia dazu: Der Bergriff Non-Food bechreibt je nach Verwendung Waren, die nicht zum Verzehr geeignet sind. Das kann also alles sein. Auch ein weiteres Bekleidungsgeschäft? Schuhgeschäft? Drogerie? Haushaltwaren? Elektroartikel?
Das hat den Räten in Bürgstadt gereicht, um Abweichungen vom Bebauungsplan durchzuwinken. Jetzt frag ich mich, will man nichts wissen? Oder will man nur dass die Bürger nichts wissen? Das KIK Schild ist übrigens ganz schnell wieder von der Baustelle verschwunden. Ob das mit meinem Beitrag Überraschungspaket in Bürgstadt - wer kennt den Inhalt zusammenhing, kann ich allerdings nicht sagen.
Vielleicht möchte man aber auch nur die Miltenberger überraschen, nicht dass die auf die Idee kommen, einen Mieter für ihr eigenes Ramschzentrum abzuwerben. Jedenfalls wird es wohl immer schwerer, einen echten Bedarf für die Resterampe am alten Bahnhof darzustellen.
Übrigens sind die Bürgstädter insgesamt deutlich cleverer als unsere Miltenberger.
Nicht nur die Nutzung wird geheim gehalten, auch die qm sind nirgends zu finden. Thema großflächiger Handel? Regionalentwicklung? Einspruch Landratsamt? Einspruch Regierung von Unterfranken?
Alles nicht zu befürchten. Denn die Bürgstädter haben die Formulierung aus dem ursprünglichen Bebauungsplan für das Gewerbegebiet Süd, um das es hier geht einfach geändert:
- Fassung 03.11.1997 Ausgeschlossen ist im Gewerbegebiet die Errichtung von Einzelhandelsbetrieben
- Änderung 06.11.2013 Folgende Festsetzungen werden ersatzlos aus der Legende gestrichen: "Ausgeschlossen ist im Gewerbegebiet die Errichtung von Einzelhandelsbetrieben."
Man hat also kurzerhand aus einem Gewerbegebiet ein Handelsgebiet ohne jede Einschränkung gemacht, dann kamen Lidl, Rossmann, Penny, Norma, ein Elektronikmarkt. Alles was die Miltenberger verhindern wollten, durfte sich fortan hier ansiedeln
Das hat man im vereinfachten Änderungsverfahren gem. § 13 BauGB durchgezogen. Was auch immer das bedeutet, einfach war es offensichtlich. Es gab nirgends Widerstand? Was dort aktuell vorhanden ist und gerade entsteht, geht in Richtung großflächiger Einzelhandel, der eigentlich im Rahmen der Landesentwicklung zu beurteilen wäre. Aber weil ein gültiger Bebauungsplan besteht, kann man machen was man will?
Ich staune wieder mal. Ein Miltenberger hat sich mal geäußert, was in Kleinheubach entstanden ist, war "grenzwertig", genehmigungsrechtlich bedenklich und in einer Grauzone. In Bürgstadt passiert das Gleiche. Ein Laden nach dem anderen wird durchgewunken, am Ende steht ein Gebiet, das als Gesamtobjekt möglicherweise nie eine Genehmigung erhalten hätte? Regionalentwicklung, Begrenzungen beim großflächigen Einzelhandel? Scheint hier alles keine Rolle zu spielen. Das sieht nach Salamitaktik aus.
Wo waren eigentlich die Miltenberger Strategen bei der gravierenden Änderung im Jahr 2013? Wurde Miltenberg gefragt? Gab es Einwendungen oder wurde zugestimmt? Wenn die Miltenberger beteiligt wurden, haben sie die Bedeutung entweder nicht erkannt, oder ignoriert.
Die Entwicklungen in Bürgstadt und Kleinheubach sind aus meiner Sicht normal und in Ordnung. Man fragt sich nur, warum Miltenberg in all den Jahren nichts auf die Reihe gebracht hat. Das Beispiel Bürgstadt zeigt doch, wie einfach das alles sein kann. Scheuklappen ablegen, offenen Bebauungsplan erstellen, und dann Grundstücke bestmöglich vermarkten.
Was macht Miltenberg? Einen sinnfreien Investorenwettbewerb, mit dem man sich einem renditegetriebenen Investor ausliefert? Warum eigentlich? War man nicht in der Lage, selbst einen Bebauungsplan zu erstellen und dann Grundstücke zu verkaufen? Das Ganze könnte schon längst Geschichte sein und überwiegend gebaut.
Irgendwie holt uns hier der sinnfreie Größenwahn wieder ein:
- Großspuriger Wettbewerb für das Museumsdepot (Lagerflächen mit Sandsteinverkleidung und Goldrand), mit dem Finanzen der Stadt gravierend belastet werden
- Investorenwettbewerb anstatt schnelle gute Lösungen in eigener Hand für den alten Bahnhof
- Wettbewerb für die Schulsanierung - Gewinnerkonzept kommt in die Mülltonne, zu teuer, Planung beginnt wieder bei Null
Ich muss jetzt aufhören, und vorsichtshalber meine Herztabletten schlucken. Sonst ist das Überleben von stadtwatch gefährdet.