Messe abgesagt, Cornelius Faust wird zweiter Bürgermeister, bessere Information angekündigt.
Die konstituierende Sitzung des Miltenberger Stadtrates macht Mut. Eine wohltuend sachliche Sitzungsführung ohne unnötige Zwischenbemerkungen und Kommentare lassen auf einen neuen Stil im Umgang miteinander hoffen.
In seiner Einführungsrede weckt Bernd Kahlert daneben auch die Hoffnung auf weitere Veränderungen.
- Die Stadträte werden in den nächsten Wochen ausführliche Informationen zu allen wichtigen Projekten erhalten, Stand, Finanzen usw.
- Zu internen Besprechungen mit dem Bürgermeister werden ab sofort alle Gruppierungen des Stadtrates eingeladen, nicht nur die mit Fraktionsstatus
- Ab sofort gibt es Bürgerfragestunden vor jeder Stadtratssitzung
- Niederschriften werden ab sofort dauerhaft im Internet veröffentlicht
Eigentlich Kleinigkeiten, die keiner besonderen Erwähnung wert wären. In Miltenberg deuten diese aber eine grundlegende Veränderung an. Denn hier räumt Kahlert mal so nebenbei ein paar Punkte ab, mit denen in der Vergangenheit eher Politik gegen anstatt für den Bürger demonstriert wurde.
Der erste Punkt sollte eigentlich schon immer selbstverständlich sein, wobei spannend wird, ob und wie diese Informationen dann auch uns Bürgern zugänglich gemacht werden.
Die anderen drei Punkte sind interessant, weil diese schon zu Beginn der Amtszeit eine 180 Grad-Wende zum Vorgänger markieren. Viele werden sich noch an die unsäglichen Vorgänge um die Veröffentlichung der Niederschriften im Internet erinnern. Siehe Hier und Hier. Der Stadtrat beschließt eine Miniversion, der Bürgermeister ordnet an, diese nach kurzer Zeit wieder zu löschen. Der düpierte Stadtrat schweigt. Nur Einer begehrt auf, und wird im Regen stehen gelassen.
Ähnlich auch der Vorgang Bürgerfragestunde. Das alles weckt die Hoffnung, dass Steuergelder und Verwaltungskapazität künftig für aktive Bürgerinformation und nicht mehr für die Verhinderung von Bürgerinformation eingesetzt werden.
Diskussion um Geschäftsordnung des Stadtrates
Die Geschäftsordnung regelt Zuständigkeiten, Entscheidungsbefugnisse und die Zusammenarbeit von Stadtrat, Bürgermeister und Verwaltung. Viel Routine, Vergleiche mit anderen Kommunen zeigen aber, hier kann ein Stadtrat durchaus Akzente setzen.
Mit der Fortschreibung der Vergangenheit wurde diese Chance erst mal vertan. Eine grundlegende Überarbeitung bräuchte natürlich auch Zeit, die jetzt nicht da war. Insoweit fand ich den Antrag der Grünen, der Stadtrat möchte sich zu einer grundlegenden Überarbeitung der Geschäftsordnung bis Jahresende verpflichten, sehr gut. Das Gremium hat dem aber nicht entsprochen.
Danach wollten die Grünen mit einem weiteren Antrag zumindest eine kleine Veränderung der Geschäftsordnung erreichen. Die Verwaltung sollte über die Geschäftsordnung zu mehr und frühzeitigerer Informationsbereitstellung vor Sitzungen verpflichtet werden. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt.
Die Abstimmung und vor allem die Diskussion dazu zeigt, wie groß das Festhalten an alten Strukturen ist. Bemerkenswerterweise haben zwei wiedergewählte Räte, Oswald und Frey, die Berechtigung des Anliegens der Grünen bestätigt. Es wäre wünschenswert, wenn Unterlagen rechtzeitig zur Verfügung gestellt würden, das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall.
Die Verwaltung hat sich hier (erstmal) durchgesetzt. Es kann wie gewohnt weitergehen. Dazu passt der Satz in einem Kommentar zur konstituierenden Sitzung in Erlenbach heute im Boten: "Diejenigen, die in der Kommunalpolitik für die Qualität der Stadtmelodie zuständig sind, sind die Räte. Die Räte sind das Orchester."
Der Bürgermeister hat in seiner Rede neue Akzente (Töne) gesetzt. Das Gremium hat dies an diesem Abend versäumt.
Cornelius Faust in Stichwahl zum zweiten Bürgermeister gewählt
Für das Amt des zweiten Bürgermeisters gab es zwei Wahlvorschläge. Cornelius Faust von den liberalen Miltenbergern und Sabine Balleier von der SPD.
Im ersten Wahlgang erhielten beide jeweils zehn Stimmen. Aus der Stichwahl ging dann Cornelius Faust mit 12 zu neun Stimmen als Sieger hervor. Sabine Balleier wurde im Anschluss zur dritten Bürgermeisterin gewählt.
"Gemeinsam Neu Denken" trifft damit auf "Leidenschaft für Miltenberg". Den beiden Männern steht eine Frau zur Seite mit dem Slogan, "Sabine packt das!"
Michaelismesse abgesagt
Nach den Vorgaben aus Berlin und München war das eigentlich nur noch eine Formsache. Großveranstaltungen sind bis mindestens 31. August 2020 verboten. Die Messe sollte am 29. August beginnen, was damit schon mal umöglich war.
Der Schutz der Bevölkerung hat Vorrang, so Bernd Kahlert. Wer kann hier die Verantwortung für eine solche Großveranstaltung, wenn sie denn überhaupt möglich wäre, übernehmen? Eine rhetorische Frage.
Auch aus wirtschaftlicher Sicht war die Absage geboten. Alle Beteiligten brauchen Planungssicherheit, die kann ihnen aber aktuell keiner geben. Ohne Absage hätte man nun Verträge schließen müssen, die möglicherweise nicht erfüllbar gewesen wären. Ein nicht vertretbares Kostenrisiko.
Schade für die Stadt, schade für die Geschäftsleute, und vor allem sehr schade für den neuen Festwirt, auf dessen neues Konzept und das neue Festzelt wir alle uns wohl riesig gefreut haben. Ich hoffe, die Umsetzung ist im nächsten Jahr möglich.
Nachdem die Entscheidung gefallen ist, können Stadtrat, Bürgermeister und Verwaltung sich nun der Frage zuwenden, wie kann man andere Wege finden, die Geschäftswelt in Miltenberg zu fördern. Der Wille dazu war erkennbar, nun sind Ideen und Konzepte gefragt.