Es hat sich nicht viel geändert. Fast zwei Jahre hat mir die Zeit und Muse gefehlt, mich meinem Hobby Beobachtung der Kommunalpolitik zu widmen.
Der Neustart beim Besuch einer Stadtratssitzung war ernüchternd. Ein paar Gedanken zur Sitzung:
1. Bürger wissen besser als der Stadtrat, wo die Prioritäten liegen sollten, und was wichtig ist
Die Besucherreihen waren gut gefüllt. Das lag offensichtlich am Punkt 1 und 2 der Tagesordnung. Information zur Grundschule. Nach diesem Punkt haben sich die Reihen gelichtet, und nur wenige Besucher sind dem Rest der Sitzung gefolgt.
Wer geblieben ist, weiss warum. Es war ermüdend, und in weiten Teilen sinnfrei. Wenn bei einem Theaterstück nach dem ersten Akt 90% der Besucher heimgehen, sollten die Darsteller darüber nachdenken, das Programm zu ändern.
2. Finanzprobleme sind ein Problem des Bürgermeisters, dafür ist der Stadtrat nicht zuständig
Nachdem Bürgermeister Bernd Kahlert im Rahmen des Sachstandberichts zur Grundschule auf die sich abzeichnende prekäre Finanzsituation der Stadt hingewiesen hatte, ging es zur Tagesordnung über. Es wurden Wünsch-Dir- Was Anträge der Stadträte behandelt, die Geld kosten, Verwaltungskapazität binden, obwohl mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Geld mehr in der Kasse ist. Teure Konzepte für die Schublade erstellen?
3. Die Sünden der Vergangenheit holen die Stadt jetzt ein
Die Kasse ist leer, dafür haben wir ein Museumsdepot und viele ungelöste wichtige Aufgaben. Grundschule und Feuerwehrhaus sind Projekte, deren Finanzierung wohl angesichts fehlender Einnahmen schwieriger wird als gedacht. Und unsere schönen Rücklagen sind verbrannt. Es steht Schuldenmachen auf dem Plan, und das angesichts steigender Zinsen.
Man könnte es natürlich mal mit sparen probieren. Siehe Vergleich mit anderen Kommunen. Ein Ansatz wäre auch, sich auf das notwendige zu beschränken, und die Wünsch-Dir-Was Liste vorläufig in die Schublade zu legen.
Aus dem Sachstandsbericht zur Schule konnte man erkennen, dass die bisherige Planung wohl "suboptimal" gelaufen ist. Mehr dazu in einem separaten Artikel.
4. Beratung zum Haushalt der Stadt am 31.05.2022 um 18:00 Uhr
An diesem Termin berät der Hauptverwaltungsausschuss der Stadt öffentlich im Sitzungssaal des Rathauses den Haushalt für das Jahr 2022. Dass diese Beratung öffentlich stattfindet, ist für Miltenberg ein großer Fortschritt.
Viele Jahre lang wurde das unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemacht. Allein das ist ein Grund, hinzugehen um dem Gremium zu zeigen, dass wir Bürger wissen wollen, wie über unser Geld verfügt wird.
Hilfreich wäre natürlich, wenn Miltenberg den Haushaltsentwurf vorher auch den Bürgern zur Verfügung stellen würde. Gesetzlich vorgeschrieben in Baden-Württemberg, üblich auch in fortschrittlichen bayrischen Kommunen. Undenkbar in Miltenberg?
5. Wie viel Geld fehlt im Haushalt der Stadt und welche Konsequenzen hat das?
Daneben bin ich sehr gespannt, wie das von Bürgermeister Bernd Kahlert aufgezeigte Dilemma in den Finanzen gelöst wird. Die gestern präsentierte Grafik zeigt eine Situation, die lt. Gesetz nicht zulässig ist.
Die Einnahmen reichen nicht, um die Kosten der laufenden Verwaltung zu decken. Lt. Gesetz muss im laufenden Haushalt aber mindestens so viel Überschuss erwirtschaftet werden, dass die laufende Tilgung für Schulden geleistet werden kann. Ein Defizit ist nicht vorgesehen bzw. erlaubt.
Da gibt es sicher Ausnahmen. Für ein Jahr mag das auch mal vom Landratsamt toleriert werden. Die Grafik zeigt aber, dass es für mehrere Jahre nicht gelingt, die gesetzliche Vorgabe einzuhalten. Das wird auf jeden Fall spannend.
Ich hatte den Eindruck, die dezenten Hinweise des Bürgermeisters sind bei den Stadträten nicht angekommen. Vielleicht muss er lernen, dies deutlicher auszudrücken. Man könnte einfach mal in den Raum stellen, ob Miltenberg künftig wie in der Vergangenheit die Amorbacher beim Landratsamt eine Genehmigung einholen wollen, wenn Sie neues Briefpapier brauchen.
Die Alternative: Sparen, Sparen, Sparen. Kommunen können zwar nicht pleite gehen, aber entmachtet. Dann bestimmt das Landratsamt, was in Miltenberg passiert und was nicht mehr.